Familien unterstützen, Kinder beschützen
Das Jugendamt ist der größte Fachbereich unter dem Dach des Landratsamtes. Seit März steht er unter weiblicher Führung: Melanie Rigorth kann als „neue“ Jugendamtsleiterin nun bereits auf ein gutes halbes Jahr zurückblicken. So ganz „neu“ war sie eigentlich nicht, denn zuvor führte sie bereits den Bereich Jugendarbeit, Erziehungsberatung und Sport.
Wir haben Melanie Rigorth gefragt, wie es ihr nach dem ersten halben Jahr geht. Was bedeutet es, einen derart sensiblen Bereich zu leiten, die Verantwortung - nicht nur für die rechtlichen Entscheidungen - sondern vor allem auch für all die Menschen, Mitarbeitende wie Kunden, zu tragen?
Wir merken schnell: hier ist jemand mit Überzeugung und Optimismus bei der Sache, Melanie Rigorth - selbst Mutter von zwei Kindern - spricht mit bemerkenswerter Freude und Leichtigkeit über ihren Beruf: „Familien unterstützen und Kinder beschützen; ich kann mir keine schönere Tätigkeit vorstellen!"
Von einer Führungsposition träumen viele, aber Leiterin des Jugendamtes klingt nicht sofort nach Traumjob. Ist er das für Sie, Frau Rigorth?
"Bevor ich nach Starnberg kam, habe ich 15 Jahre in der Bezirkssozialarbeit der Stadt München gearbeitet und war dort zuletzt Teamleitung und Sprecherin für die Themen der über 300 Basis-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in unterschiedlichen Gremien der Stadtverwaltung. Sie sehen: Ich liebe Herausforderungen! Und davon gibt es auch in meiner neuen Position reichlich. Da ich zuvor ja schon den Bereich Jugend und Sport geführt habe und es zahlreiche Berührungspunkte gab, wusste ich zumindest schon mal grob, was auf mich zukommt.
Was ich hier wirklich sehr zu schätzen weiß: unser Fachbereich besteht aus vielen verschiedenen Teams, die teilweise schon viele Jahre großartig zusammenarbeiten und ganz viel Herzblut in ihre Arbeit stecken. Engagierte Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie ambitionierte Verwaltungsleute stemmen dieses gewaltige Aufgabenpaket und gerade im Hinblick auf den allgegenwärtigen Fachkräftemangel bin ich sehr froh und dankbar für diese derart starke Mannschaft. Wenn ich hier das Gesamtpaket betrachte: dieses wunderbare Haus, das top Team und die Liebe zu meinem Beruf, dann kann ich tatsächlich von Traumjob sprechen. Und ich wohne quasi nebenan in Wolfratshausen. Hier im Landratsamt Starnberg lässt sich Vollzeitjob und Familie recht gut verbinden."
Gibt es auch örtliche Besonderheiten, was die Arbeit des Jugendamtes im Landkreis Starnberg betrifft?
"Ohne hier die üblichen Vorurteile und Klischees bedienen zu wollen, es gibt im Landkreis Starnberg durchaus die Besonderheit, dass wohl nirgends die Schere zwischen Arm und Reich derart groß ist. Wir kümmern uns um Kinder und Jugendliche, denen es aufgrund der finanziellen Situation der Eltern an den elementarsten Dingen fehlt. Und nur ein paar Straßen weiter kommen wir zu Hausbesuchen in luxuriöse Anwesen, in denen Kinder materiell gesehen wirklich alles haben, aber dennoch „auf die schiefe Bahn“ geraten sind. Aber die Hintergründe sind meist komplex und oft bedarf es vieler Gespräche, die wahren Probleme an den Tag zu bringen und sie zu lösen."
Auch die Flüchtlingsthematik hat sicherlich Einfluss auf die Arbeit des Jugendamtes, wie sind Sie hier involviert?
"Aktuell haben wir etwa 50 unbegleitete Minderjährige Geflüchtete und bei ihnen übernehmen wir quasi die Elternrolle. Mit allem, was dazugehört und damit meine ich nicht nur die finanziellen Aspekte. Mit der Unterbringung ist es hier längst nicht getan, wir kümmern uns um alles, von Schulbesuch bis Freizeitgestaltung. Und so wie viele Eltern jeden Tag Mühe haben, ihre Teenager-Kinder morgens aus dem Bett zu bekommen, damit sie pünktlich zur Schule kommen, müssen wir auch bei manchen unserer Kids morgens den Weckdienst organisieren."
Sie erleben bestimmt manchmal auch sehr belastende Situationen. Wie schafft man es, nicht alles gedanklich mit nach Hause zu nehmen?
"Es geht schon damit los, sich überhaupt erstmal in den Feierabend zu verabschieden. Denn es gibt immer etwas, was ich „noch schnell“ erledigen möchte. Aber das geht wohl den meisten so, die in „helfenden Berufen“ arbeiten: so richtig fertig ist man irgendwie nie. Ein gesundes Maß an Selbstdisziplin ist essentiell, denn jeder von uns hat auch noch sein eigenes Privatleben und auf mich wartet zuhause eben auch eine Familie, die meine volle Aufmerksamkeit verdient. Abschalten zu können, das muss man lernen und ein stabiles privates Umfeld macht vieles leichter. Am besten tauscht man sich nach schwierigen Terminen gleich mit Kolleginnen und Kollegen aus, gegenseitige Unterstützung ist ganz wichtig. Trotz aller Berufserfahrung gebe ich aber zu: wenn ich beispielsweise einen Polizeibericht zu einem Fall von sexuellem Missbrauch eines Kindes lesen muss, wird mich das immer ganz nah an meine Grenzen bringen."
Was erfüllt Sie am meisten in Ihrem Beruf?
"Der Sinn. Egal wie schwierig eine Aufgabe im Augenblick erscheinen mag, ich sehe in allem was ich zu tun habe einen Sinn: Das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen. Kann es etwas Sinnvolleres und Erfüllenderes geben, wofür man sich einsetzen könnte? Für mich nicht."
Kurzportrait Melanie Rigorth: Die gebürtige Augsburgerin absolvierte ihr Studium der Sozialen Arbeit in Benediktbeuern und arbeitete gleich im Anschluss in Geretsried als Streetworkerin mit Jugendlichen. Dann zog es sie nach München, wo sie sich drei Jahre lang im Betreuten Wohnen für Alkoholkranke engagierte und schließlich bei der Stadt München in die Bezirkssozialarbeit eintauchte. Dort durchlief sie verschiedene Stationen, von Basisarbeit bis zur stellvertretenden Projektleitung für einen großen Umorganisationsprozess, schulte nebenbei stets neue Kolleginnen und Kollegen und leitete schließlich ein Team der Bezirkssozialarbeit. Seit 01.05.2023 arbeitet sie beim Landratsamt Starnberg und übernahm zum 1. März 2024 die Leitung des Jugendamtes. |