Kinder, Kinder sein lassen
Fröhliches Kinderlachen und neugierige Blicke erwarten mich, bei dem Besuch zum Interview mit Ingrid Panke. Sie ist eine von 61 Tagespflegekräfte im Landkreis Starnberg und das schon ganze 17 Jahre lang. Insgesamt 50 Kinder hat sie in dieser Zeit betreut und umsorgt. In wenigen Tagen ist nun aber Schluss. Ingrid Panke hört nach langer Zeit als Tagesmutter auf. Und so bringen die Eltern in diesen Tagen ihre Kinder die letzten Male nach Hanfeld. Ein Kind, zufälligerweise mein Sohn, heute 19 Jahre, war bei Ingrid Panke in Hanfeld in ihrer ersten Gruppe, die sie als Tagesmutter betreut hat.
Ich weiß noch, dass die Aufregung riesengroß war. Vermutlich nicht für meinen Sohn, der kann sich nämlich nicht mehr so genau daran erinnern 😉, sondern für mich als Mama. Zum ersten Mal gab ich meinen kleinen Schatz zu einer fast fremden Frau in Obhut. Zwar waren es in der Woche nur zwei halbe Tage, aber auch die kosteten am Anfang Überwindung. Aber das hat sich geschwind gelegt. Die Vertrauensbasis war schnell aufgebaut und mein Sohn fühlte sich dort pudelwohl und gut behütet. Außerdem machte es ihm Spaß, den Tag mit den anderen Kindern zu verbringen. Da ich an diesen Tagen wieder ins Berufsleben beim Landratsamt einstieg, waren wir beide somit gut aufgehoben.
Als Ingrid Panke mir heute zu unserem Interview die Türe aufmachte, dachte ich nur wow. Sie hat sich in all den Jahren nicht groß verändert. Durch ihre herzliche, erfrischende, offene und authentische Persönlichkeit vermittelte sie mir sofort wieder ein vertrauensvolles Gefühl des Heimkommens.
Es duftete nach frisch gemähten Gras und das in einer ländlichen Idylle, die schöner nicht sein könnte. Der kindgerechte Garten mit Schwedenhaus und Rutsche lädt sofort zum spielen und erkunden ein. Ja, man möchte hier sofort wieder Kind sein. Pippi Langstrumpf und ihre Freunde hätten sich dort, auch mit den vielen tierischen Besuchern, wie Pferde, Katzen und Mäuse, sehr wohl gefühlt. Die Kinder schauen uns anfangs noch mit großen Augen neugierig an und spielen dann aber gleich wieder weiter. Wir schauen uns gemeinsam ein Insektenhotel an, welches die Kinder mit gebastelt haben.
Gehen an gut riechenden Kräutern und Tomatenstauden vorbei, wo man zwischendurch mal naschen darf, und schließlich kommen wir auch noch an einer urigen Holzschaukel vorbei, auf der sich die Kinder geschwind draufsetzten und sich anschaukeln ließen.
Natürlich habe ich auch gleich meinen Sohn gefragt, ob er sich noch an diese schöne Zeit bei seiner Tagesmutter Ingrid erinnern kann. Aber was soll ich sagen, natürlich sind die Erinnerungen inzwischen verblasst. Aber als er ein wenig nachdachte, meinte er: „Doch, an die Plätzchen kann ich mich gut erinnern." Nämlich, dass er frisch gebackene Plätzchen auf einem Blech ganz vorsichtig aus dem Backofen rausnahm und sie stolz an den Tisch trug, denn sie haben sie vorher selber gebacken. Sie müssen wohl lecker geschmeckt haben und an den Geruch von frischen Plätzchen kann sich vermutlich jeder von uns erinnern. Vielleicht ist es deshalb in seinem limbischen System hängengeblieben.
Zum Glück bekommen die Mamas und Papas einen ganzen Ordner mit Fotos, selbstgemalten Bildern und Erinnerungstexten von der Tagesmutter dazu, heute sogar in einem Fotobuch. Was für ein wertvoller Erinnerungsschatz …😊
Und was die Kinder dort alles erlebt haben, ein Traum. In wohlbehüteter, vertrauensvoller und familiärer Umgebung. Zusammen im Garten spielen, gemeinsam Pflanzen beim wachsen beobachten und danach das ein oder andere Pflänzchen zum Kochen verwenden. Es wurde geschnipselt, geklebt, gebastelt, verkleidet aber auch lecker Pizza gemacht oder gebacken. Nicht zu vergessen die vielen Ausflüge in die Natur. Aber auch die Kinder spielerisch an Abläufe zu gewöhnen, ihnen Dinge zu erklären und gemeinsam erleben zu lassen, ist ein Gewinn bei der Tagesmutter.
Für uns war es die beste Entscheidung, eine Tagesmutter für unser Kind zu nehmen. Als Betreuerin, Partnerin und Kümmerin in allen Lebenslagen, gewöhnen sie unsere Kinder an den neuen Lebensabschnitt mit großer Verantwortung, Sorgfalt und viel Liebe für Kinder und deren „Kinderwelt“.
Interview mit Ingrid Panke, Tagesmutter
Ingrid, wie kam bei Dir der Wunsch auf Tagesmutter zu werden?
Da ich bereits 30 Jahre in Kita‘s als Erzieherin gearbeitet habe, war für mich das Thema nicht neu. Und als ich dann zufällig einen Beitrag im Fernsehen über einen Tagesvater gesehen habe, dachte ich mir, dass wäre etwas für mich. Das kann ich auch und die Räumlichkeiten habe ich zum Glück ebenfalls.
Was soll man unbedingt mitbringen als Tagesmutter?
Zeit, man muss sich gerne für die Kinder Zeit nehmen. Und die Kinder haben etwas zu sagen bei mir. Außerdem ist der Beruf sehr kreativ und ich kann dabei meine Ideen verwirklichen.
Ist der Beruf Tagesmutter ein Beruf oder muss man dazu berufen sein?
Sicher beides. Es ist eine Bereicherung fürs Leben, Kinder um sich zu haben. Und es ist vor allem eine Herzenssache.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt, der Fachstelle Jugend und Familie?
Die Zusammenarbeit ist von Anfang an sehr gut. Sie haben immer ein offenes Ohr für unsere Belange.
Gibt es Unterschiede zu den Kindern und Eltern von vor zwanzig Jahren und jetzt?
Jein, (lacht). Die Wünsche der Kinder werden heute viel schneller erfüllt als früher. Und das Handy wird leider viel zu oft benutzt. Ich erlebe es bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. Die Eltern sind oft am Handy und Kinder werden bei Gesprächen nicht mehr angeschaut. Und mir ist aufgefallen, dass die Kleinen sich sogar schon besser auskennen als ich mich selber, wenn ich Fotos oder Videos an die Eltern verschicken möchte. Aber das gehört jetzt zu unserem Alltag.
Was hat sich im Laufe der Zeit in verändert? Im Ablauf oder in den Spielen?
Zum Glück nicht viel, weil Kinder, gestern wie heute, immer Kinder sind. Mit den gleichen Bedürfnissen und Erwartungen, Neugierde und Spaß. Es sind natürlich im Laufe der Zeit mehr Spiele dazugekommen, die das Gedächtnis trainieren. Aber auch neue Kreis- und Fingerspiele gibt es.
An welchen schönsten Moment erinnerst du dich gerne zurück?
Es gibt so viele schöne Momente, die ich nicht vergessen werde. Kinder wie Eltern sind immer wieder unterschiedlich. Die Anerkennung, die ich für meine Arbeit bekomme, ist natürlich jedes Mal aufs Neue wertvoll und wunderschön.
Welchen Rat oder Tipp würdest du einer neuen Tagesmutter mit auf dem Weg geben?
Kinder Kinder sein lassen … Offen sein, Freiraum geben, Zeit haben, Gefühle zeigen, Mut machen und auch Grenzen setzen. Denn Grenzen und Regeln geben Sicherheit.
Was macht eine Tagesmutter im Ruhestand?
Sie lässt sich für die Ersatzbetreuung einteilen und hilft bei zwei Tagesmütter aus (lacht). Denn so schnell komme ich anscheinend nicht weg von meinen Kindern. Glücklicherweise ist eine Tagesmutter auch meine Nachbarin von nebenan. Wir haben auch mit den Kindern oft etwas gemeinsam unternommen, daher kennen sie mich schon.
Was wirst du am meisten vermissen?
Die Kinder halt! (Sie wischt sich eine Träne fort und meint, das bitte nicht filmen). Es ist ein kleiner Trost für mich, dass alle meine jetzt betreuten Kinder in den Kindergarten kommen und somit kein Kind übrigbleibt.
Und auf was freust du dich am meisten?
Dass ich wieder mehr Sport machen kann, auch vormittags. Und dass ich unter der Woche mit meinem Mann in die Berge fahren kann. Skifahren, Wandern, ja auf die „mehr Zeit“ freue ich mich.
Interview mit Susanne Gemander von der Fachdienststelle für Kindertagespflege im Landratsamt
Was zeichnet die Kindertagespflege aus?
Die Kindertagespflege (KTP) ist ein idealer Bildungsort für Kinder unter 3 Jahren. Hier wird in sehr kleinen behüteten Gruppen gespielt, experimentiert, gegessen und viel Zeit draußen in der Natur verbracht. Der Tagesablauf orientiert sich an den Bedürfnissen der Kinder. Durch die familiäre Struktur fühlen sich die Tagespflegekinder schnell sehr wohl und bauen eine tragfähige Beziehung zur Tagesmutter/Tagesvater auf. Tagespflegepersonen sind verlässliche und konstante Bezugspersonen für die Kinder. Sie begleiten die Kinder mit viel Empathie und fachlichem Wissen in ihrer Entwicklung, sie fördern sie und sind im engen Austausch mit den Eltern.
Wie viele Tagesmütter und Tagesväter gibt es im Landkreis Starnberg?
Aktuell haben wir 61 im Landkreis, die in der klassischen Kindertagespflege, Großtagespflege und in der Ersatzbetreuung tätig sind. Darunter sind 2 Männer .
Wie viele Kinder können in einer Gruppe betreut werden?
In der klassischen Kindertagespflege können bis zu fünf Kinder betreut werden, in den Großtagespflege zwischen acht und zehn Tagespflegekindern. Die Kindertagespflege zeichnet sich durch kleine Gruppengrößen, familiäre Struktur und bindungsorientierte Erziehung und Bildung aus.
An was kann es liegen, dass so wenig männliche Personen diesen Beruf ausüben?
Bisher sind immer noch vorwiegend Frauen in der Kinderbetreuung tätig. Männliche Bezugspersonen würden die Kindertagesbetreuung sehr gut ergänzen. Ein Grund warum Männer sich für andere Berufsbilder entscheiden, könnten tatsächlich die Verdienstmöglichkeiten sein.
Wie arbeiten die Tagespflegepersonen? Können sie die Arbeitszeit individuell gestalten?
Die selbstständig tätigen Tagespflegepersonen können ihre Arbeitszeiten eigenständig festlegen. Meistens sind diese an den Betreuungszeiten der üblichen Öffnungszeiten von Kitas orientiert. Individuelle Betreuungszeiten können jedoch mit der Tagesmutter abgesprochen und angepasst werden.
Was passiert, wenn die Kindertagespflegeperson erkrankt und die Betreuung der Tagespflegekinder nicht übernehmen kann?
Dann greift die Ersatzbetreuung durch eine andere qualifizierte Tagespflegeperson. Voraussetzung ist, dass ein zwei- bis dreimonatiger Bindungsaufbau zwischen Ersatzbetreuungsperson und den Tagespflegekindern stattgefunden hat.
Sind die Tagespflegepersonen auch vernetzt?
Die Tagespflegepersonen sind untereinander gut vernetzt. Für Tagespflegepersonen aus unserem Landkreis werden regelmäßig Fortbildungsmöglichkeiten angeboten. Hier kann man sich treffen und Erfahrungen austauschen. Bei Sorgen und Problemen können sich die Tagespflegepersonen jederzeit an uns wenden. Wir informieren und beraten zu allen Fragen der Kindertagespflege.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Tagespflegepersonen?
Die Fachdienststelle besucht die Tagesmütter und Tagesväter regelmäßig und ist Ansprechpartner zu allen Fragen der Kindertagespflege. Eine kooperative und gute Zusammenarbeit mit den Tagespflegepersonen ist uns sehr wichtig.
Was macht die Kindertagespflege als Berufsfeld attraktiv?
Die Tagesmütter oder Tagesväter können Familie und Beruf gut miteinander vereinbaren. Insbesondere die Klassische Kindertagespflege ermöglicht es eigene Kinder und die Betreuung von fremden Kinder gut miteinander zu verbinden.
Bei Anfragen oder Weitervermittlungsprozesse kann man sich jederzeit an den Fachdienst Kindertagespflege wenden.
Die E-Mail Adresse lautet: Kindertagespflege@lra-starnberg.de oder Sie nutzen den Link: www.lk-starnberg.de/kindertagespflege
Ein Video mit Ingrid Panke und Beate Hatz finden Sie hier:
Zitate
„Die Tagesmütter und Tagesväter im Landkreis Starnberg suchen Verstärkung für diese wunderbare Aufgabe. Interessierte können über die FamWebApp oder die Homepage des Landratsamtes: www.lk-Starnberg.de erste Informationen und Ansprechpersonen erfahren. Also nicht lange warten und die Chance ergreifen.“
Beate Hatz, Teamleiterin Fachbereich Kinder, Jugend und Familie
„Kindertagespflege – weil Bindung und Beziehung gerade in den ersten drei Lebensjahren so wichtig sind.“
Susanne Gemander, Fachdienststelle für Kindertagespflege im Landratsamt