Seiteninhalt

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"

Petra Gansneder steht am Kofferraum ihres Autos und schnürt sich die Stiefel. „Ich habe mir schon reihenweise Schuhe ruiniert“, scherzt sie, bevor sie in einen Trampelpfad entlang des Lüßbaches einbiegt. Der Trampelpfad ist keiner, den Menschen üblicherweise nutzen.

Gansneder folgt an diesem regnerischem Morgen den Spuren des Bibers. Jenem Tier, das bei den einen auf Begeisterung stößt, den anderen jedoch Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Der Biber fühlt sich sichtlich wohl im Landkreis mit den vielen Seen, Bächen und der Würm. Das zeigt eine Karte, in der alle beobachteten Biberburgen bzw Dämme mit einem roten Stern markiert sind. Zum Schutz der Tiere verzichten wir natürlich auf eine exakte Lagedarstellung.

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"Der Baumeister verursacht aber auch deutliche Schäden an Bäumen, Feldern und Wiesen, was ihm durchaus einiges an Ressentiments einbringt. Insbesondere Landwirte dürften nicht gerade zu seinen größten Fans zählen. Naturgemäß begegnen sich beide besonders häufig und dieses nachbarschaftliche Verhältnis ist nicht immer konfliktfrei. „Ich kann beide Seiten gut verstehen“, sagt Petra Gansneder.
Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"

Ein Trampelpfad führt durch hohes Gras und Gestrüpp bis zu einem Ausstieg, den sich das Nagetier gegraben hat. Ziemlich breit. „Damit der Biber mit seinem dicken Hintern auch gut durch kommt“, lacht Gansneder. In der Tat kommt er so um einiges bequemer aus dem Wasser und muss nicht über die steile Uferböschung. Immerhin bringt das europäische Exemplar bis zu 30 Kilo auf die Waage.

Nur etwa 20 Meter wagt sich der fußfaule Nager vom Ufer weg. „Der Biber frisst alles was Grün ist. Ein Vegetarier“, erklärt die Biologin. Sträucher, Kräuter, Gräser, Schilf, Astrinde und Laubbäume. Im Winter ist die nährstoffreiche Schicht direkt unter der Rinde seine Hauptnahrung.

Oft fällt er die Bäume aber auch, um oben an die feineren Zweige zu kommen. Das wird ihm natürlich häufig zur Last gelegt.

Die Schäden, aber auch die Schutzmaßnahmen, kann man hier am Ufer des Lüßbachs gut sehen. Rechts vom Bach eine richtige Unordnung im Wald. Deutlich sieht man die Bissspuren an den Bäumen. Einige stehen noch, andere liegen schon. „Die Fichten mag er eigentlich nicht, die sind ihm zu harzig“, weiß Gansneder.

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"

Ein Stück weiter tragen die Baumstämme am Ufer einen „Drahtmantel“ zum Schutz. Der scheint zu wirken, denn hier steht noch alles.

Etwas Abwechslung auf dem Speiseplan schätzt der Biber durchaus und so verputzt er auch liebend gern Feldfrüchte wie Mais, wenn er in der Nähe des Baches angebaut wird. Viele Land- und Forstwirte sehen die Population mit Sorge. Nicht ganz unbegründet, wie man auch hier entlang des Bachlaufes sehen kann. Teils knöcheltief steht das Wasser auf Teilen des angrenzenden Feldes.

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"Bachaufwärts wird die Ursache erkennbar: der Damm. Äste, Hölzer kreuz und quer eingebaut, damit sich das Wasser staut.

Clever ist er, das muss man ihm lassen. Dieser selbst geschaffene Swimmingpool dient auch zum Schutz vor Feinden, denn mit dem Staudamm stellt das Tier sicher, dass der Eingang zu seinem Bau stets einige Zentimeter unter Wasser liegt und beugt ungebetenen Gästen vor. 

Petra Gansneder stapft aus der nassen Wiese auf die landwirtschaftliche Überfahrt über den Bach. Auch hier Spuren des Bachbewohners. Sie sinkt an einer Stelle sichtlich ab, unterbuddelt. „Nicht ungefährlich für den Landwirt mit seinen Maschinen.“

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"Und dann taucht der Biberbau auf. „Hier wohnt ein Biberpaar mit seinen Jungen. Kommt neuer Nachwuchs, müssen die älteren Geschwister den Bau verlassen und sich ein eigenes Revier suchen. Hier gilt die Devise: "erst Immobilie, dann Familie". Aber ähnlich wie auf dem menschlichen Immobilienmarkt ist auch hier freier Wohnraum Mangelware. 

Die Folge: teils heftige Revierkämpfe, da im Landkreis alle Reviere besetzt sind“, erzählt Gansneder. Viele Tiere überleben die Auseinandersetzungen nicht. 

Naturschutz, auch zum Wohl der Menschen

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"

Petra Gansneder ist Landschaftspflegeberaterin und Mitarbeiterin der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt. Sie kennt die Sorgen, Nöte und auch wirtschaftlichen Schäden, die der Biber mit sich bringt: „Er hat aber auch viel Gutes“. In seinem Lebensraum zeigt sich der Biber sehr aktiv: häufig gestaltet er „sein“ Gewässer neu, schafft Strukturen für Insekten, Deckung für junge Fische und trägt dadurch, dass das Wasser in der Fläche bleibt, auch zum Hochwasserschutz bei.

In Europa ist der Biber streng geschützt. Die Jagd auf das Tier ist verboten, umsiedeln darf man ihn nur in begründeten Einzelfällen und erst wenn alle anderen Maßnahmen nicht wirken. Selbst in Biberdämme darf nur in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde eingegriffen werden. „Aufklären, beraten und tragbare Lösungen finden ist daher das A und O“, erklärt die Koordinatorin, die auch eine Ausbildung zur Biberberaterin absolviert hat. „Wenn jemand Probleme oder Fragen hat, ist der erste Ansprechpartner einer unserer fünf ehrenamtlichen Biberberater“, beschreibt sie das Procedere.

Auf dem Rückweg blinzeln die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken. Zeit für heitere Geschichten. Auch die weiß Gansneder zu erzählen. Ob von der Umsiedlung eines Bibers aus der Starnberger Kläranlage in die Würm oder einer Biber-Sightseeingtour auf dem Hänger eines Traktors, letzteres im Beisein einer ganzen Schar an Dorfbewohnern.

Heute lässt sich kein Biber blicken, aber das war bei dem nachtaktiven Nagetier um diese frühe Uhrzeit auch nicht zu erwarten. 

Ein Vegetarier mit "dickem Hintern"

Die Biberberater: Erste Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger

Für das Landratsamt sind fünf ehrenamtliche Biberberater tätig. Sie alle haben einen Lehrgang an der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege absolviert und sind die erste Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger zu Fragen rund um den Biber. Wie die Biber, so hat auch jeder Biberberater sein eigenes Revier. Die Zuständigkeiten und Kontaktdaten finden Sie unter www.lk-starnberg.de/biber. Hinweis zur Karte: Zum Schutz der Tiere wird die Karte mit den Biberburgen bzw. Dämmen nicht zum Einzoomen zur Verfügung gestellt.

Weitere Infos:

Streng geschützter Biber

Biber

Ende des 19. Jahrhunderts war er nahezu ausgerottet. Mittlerweile ist der Biber wieder zu einem Bestandteil der bayerischen Kulturlandschaft geworden und genießt nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonderen und strengen Schutz, so dass Vertreibung, Fang oder Bejagung verboten sind. So wie in den letzten Jahren der bayerische Biberbestand angestiegen ist, ist auch im Landkreis Starnberg eine Ausbreitung des Biberbestandes festzustellen. Das Landratsamt geht davon aus, dass der Biber flächendeckend im Landkreis verbreitet ist und alle wichtigen Reviere an Seen, Fluss- und Bachläufen besiedelt hat.

Der Europäische Biber (Castor fiber Linnaeus) erreicht eine Körperlänge bis zu 1,30 m, wovon auf den abgeflachten, beschuppten Schwanz, die sog. Biberkelle, bis zu 30 cm entfallen können. Sein Gewicht beträgt bei ausgewachsenen Tieren bis zu 30 Kilogramm. Biber leben in Einehe. Sie können 12 bis 14 Jahre alt werden.

Das Revier einer Biberfamilie, die aus dem Elternpaar und zwei Generationen von Jungtieren besteht, umfasst je nach der Qualität des Lebensraumes 1 bis 3 km Fließgewässerstrecke. Ausgewachsene Biber haben so gut wie keine Feinde. Dank eines konsequenten Reviersystems ist die Ausbreitung begrenzt. Das Biberpaar bekommt nur zwei bis drei Junge pro Jahr. Nach der zweijährigen Lehrzeit im Bau der Eltern, müssen sie ausziehen. Je mehr Reviere bereits besetzt sind, umso schwieriger wird dieses Vorhaben. Häufig kommt es zu heftigen Revierkämpfen, bei denen die Biber auch ihre langen Schneidezähne einsetzen. Viele Tiere überleben die Verletzungen nicht. So reguliert sich der Bestand der Biber in der Regel selbst.

Schadensausgleich

Trotz präventiver Maßnahmen kann der Biber auch finanziell schwerwiegende Schäden verursachen. Um bestimmte Kosten auszugleichen, hat das Bayerische Umweltministerium den sogenannten Biberfonds eingerichtet. Dafür stellt der Freistaat Bayern als freiwillige Leistung Geld zur Verfügung. Seit Januar 2021 stehen jährlich 550.000 Euro Verfügung.

Ausgeglichen werden:

  • Fraß- und Vernässungsschäden an landwirtschaftlichen Kulturen
  • Flurschäden, z. B. durch Uferabbruch
  • Maschinenschäden in der Landwirtschaft
  • Schäden an Teichanlagen Fischzucht
  • forstwirtschaftliche Schäden

sofern der Schaden mehr als 50 Euro (Untergrenze) und weniger als 30.000 Euro (Obergrenze) in der jährlichen Summe beträgt.

Generell nicht ausgeglichen werden sonstige Schäden wie Verkehrsunfälle, Personenschäden, sonstige Schäden von Gewässernutzungsberechtigten o.ä. Ebenfalls nicht ausgleichbar sind Schäden, die dem Staat, den Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, auch soweit diese Unternehmen in Privatrechtsform betreiben, entstehen. Für Bereiche, in denen mit wiederkehrenden Biberschäden zu rechnen ist, hat die Kreisverwaltungsbehörde mit Blick auf die künftige Regulierung eventueller Schäden zu prüfen, ob für den Geschädigten präventive Maßnahmen einschließlich Fördermöglichkeiten möglich, verhältnismäßig und zumutbar sind. Ist dies der Fall, haben diese Vorrang vor finanziellen Ausgleichsmaßnahmen.