Des Königs »Einhemm-Schuh« ist aus der Mode gekommen
"Unten" ist in diesem Fall der Tutzinger Ortsteil Monatshausen. Denn dorthinunter führt die Straße, die zuvor von der B2 abzweigt. Heute ist das kein Problem: das richtige Profil auf den Tretern oder Reifen und alles ist safe. Früher, in der Zeit der Postkutschen, war das ganz anders. Damals hatten die Kutscher mit ihren Pferdefuhrwerken und Pferdekutschen so einige Probleme, diese Gefällestrecke sicher zu meistern.
Und genau darum steht dort ein seltenes, altes und inzwischen denkmalgeschütztes Verkehrsschild mit der Aufschrift „Einhemm-Stelle“.
Man stelle sich ein schweres Pferdefuhrwerk mit seinen eisenbereiften Wagenrädern vor. Die Fahrt geht durch Dörfer, Wald, Wiesen. Bis dahin reinstes Postkartenidyll. Dann aber führt der Weg steil den Berg hinab. Spätestens jetzt wird’s für Tier, Mensch und Ladung brenzlig. Da reichten die damals üblichen Schleifbremsen und auch die Bodenhaftung nicht aus, um die steile Stelle sicher runter nach Monatshausen zu kommen.
Die Lösung waren sogenannte Hemmschuhe, auch Bremsschuhe oder Radschuhe genannt. Sie wurden an den Rädern befestigt, um eine bessere Bremswirkung zu erzielen. Und damit die Kutscher schon oben am Berg zum Anlegen des Hemmschuhes aufgefordert wurden, gab es ein Verkehrsschild mit der Aufschrift „Einhemm-Stelle“.
Hier mussten Pferdefuhrwerke anhalten und den Hemmschuh anlegen. Er wurde mit einer Kette am Fuhrwerk befestigt, vor eines der Hinterräder gelegt und dann vorsichtig darauf gefahren. Damit wurde das Rad blockiert und verhindert, das bei starkem Gefälle das Fuhrwerk oder die Kutsche die Zugtiere überholte oder gar umstürzte. In der Regel legten die Kutscher den Bremsschuh vor das rechte Hinterrad. Damit war dem rechts sitzenden Kutscher der Blick auf den Radschuh möglich. Das "unbeschuhte" linke Hinterrad sorgt für die Spurführung der Kutsche den Berg hinunter auf der Monatshauser Straße.
Der Hemmschuh war also sehr hilfreich und nützlich, um das Gefälle des Weges sicher zu bewältigen.
Königlich-Bayerisch und unter Denkmalschutz
Dieses alte Königlich-Bayerische Verkehrszeichen hat heute keine Bedeutung mehr, es steht aber immer noch da, am Straßenrad im Wald bei Monatshausen. Weiß-Blau, aus Gusseisen. Wer es sehen möchte, der biegt einfach auf der B2 nahe dem Hirschberg ab nach Monatshausen.
Es ist wohl das einzige Verkehrsschild dieser Art, das im Landkreis Starnberg noch erhalten ist. Darum steht es unter Denkmalschutz und ist in der Denkmalliste des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz eingetragen. Aufgestellt wurde es „Auf Seiner Königlichen Majestät Allerhöchsten Befehl“ in einer Anordnung von 1870 und zeigt die Zeichnung eines Radschuhs mit der Unterschrift „Einhemm-Stelle“.
„Es ist gut, dass der Denkmalschutz nicht nur Gebäude im Blick hat. Damit bleiben solche historischen Zeichen für die nachfolgenden Generationen erhalten“, freut sich Judith Hagenbucher von der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landratsamt und ergänzt: „Im Gegensatz zu den heutigen Verkehrsschildern sind sie ja auch schön anzuschauen“.
Wissenswertes
Bremsen und Verkehrszeichen heute
„Laut Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (STVZO) müssen Fahrzeuge heute mit einer ausreichenden Bremse ausgestattet sein. Hemmschuhe dürfen nach § 65 STVZO nur als zusätzliches Hilfsmittel und nur dann eingesetzt werden, wenn das Fahrzeug mit einer gewöhnlichen Bremse nicht ausreichend gebremst werden kann“, erklärt Markus Reichart von der Unteren Verkehrsbehörde im Landratsamt die aktuelle Rechtslage. Das Aufstellen von Verkehrszeichen richtet sich nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Gab es damals noch ganz wenige Verkehrszeichen, so ist die Zahl in Deutschland bis heute auf über 500 verschiedene Verkehrszeichen angewachsen. Zuständig für die Anordnung von Verkehrszeichen sind die Gemeinden für ihre Gemeindestraßen und die Untere Verkehrsbehörde im Landratsamt für Kreis-, Staats- und Bundesstraßen.
Die Einhemmstelle ist eines von ganz wenigen Verkehrs-, Hinweis- und Ortsschildern, die als Baudenkmal eingetragen und erhalten ist.
Insbesondere im Gebiet der Gemeinde Tutzing zieren noch einige wenige dieser schmucken gusseisernen Schilder den Straßen- oder Wegesrand.
Hemmschuh als Redensart
Ein Hemmschuh in seiner alten Gebräuchlichkeit ist nur noch bei historischen Kutschen mit Schleifbremsen oder eisenbereiften Holzrädern im Einsatz. Es handelt sich um eine gebogene eiserne Platte, die mit einer Kette am Hinterrad befestigt wurde, um die Geschwindigkeit zu hemmen. Daher auch der Name Hemmschuh. Moderne Kutschen sind inzwischen mit Scheiben- oder Trommelbremsen ausgestattet und haben Radflächen aus Gummi. Einen Hemmschuh zum Bremsen braucht es da also im Normalfall nicht mehr. Heute verwendet man den Begriff „Hemmschuh“ überwiegend nur noch als Redensart und Bezeichnung dafür, dass ein bestimmtes Vorhaben in seiner Entwicklung gebremst, verlangsamt oder behindert wird.