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Glückspilz - Hochsaison im Schwammerlwald


Glückspilz - Hochsaison im Schwammerlwald

Sie heißen Blasse Koralle, Spitzgebuckelter Raukopf, Habicht, Semmelstoppel, Stäubling, Bocksdickfuß oder Knoblauchschwindling. Bezeichnungen, die nicht jeden gleich auf die richte Fährte führen. Insider wissen aber sofort um was es geht: Schwammerl. Wem gerade mal die Schimpfwörter ausgehen, kann sich ebenfalls des Pilzlexikons bedienen: „Du fransiger Wulstling“ wäre da so ein Beispiel. Wobei Pilzfreunde derzeit eigentlich nichts zu schimpfen haben, schießen die Schwammerl doch gerade so aus dem Waldboden.

Es ist Pilzhochsaison in unserer Region. Und darum machen auch wir uns heute auf den Weg durch den Wald. Damit wir aber den Hexenröhrling nicht mit dem Satanspilz verwechseln, treffen wir uns mit Daniel Schuster, er ist ein ausgewiesener Schwammerlexperte. Ganz offiziell ist er Pilzsachverständiger. Also jemand, der richtig viel Ahnung hat von dem, was uns im Wald erwartet.

Wir treffen uns an einem Parkplatz am Waldrand im westlichen Landkreis. Die Nacht durch hat es geregnet, jetzt blinzelt hier und da die Sonne durch Wolken und Bäume. Es ist warm. Optimales Schwammerlwetter. Die Luft riecht feucht, als wir in den lichten Wald eintauchen. Die Pfade der Pilzsammler sind nicht zu übersehen. Wir sind also nicht die ersten, dafür ist es einfach schon ein wenig zu spät am Vormittag. Das macht aber auch nichts, schließlich sind wir heute nicht auf Masse, sondern auf Vielfalt aus.

Daniel Schuster erkennt auf den ersten Blick, ob es sich hier lohnt, weiterzugehen. Kaum hat er dies positiv beurteilt, schon schimmern rosa-violette Schirmchen vor uns auf dem Boden. Er gibt mir ein kleines Stück vom lila Hut zum Kauen. „Nicht runterschlucken, gleich wieder ausspucken“, mahnt er. Das hätte er aber auch gar nicht sagen müssen. Es brennt im Mund und schmeckt, wie eine richtige Portion frisch geriebener Meerrettich. „Der Stachelbeertäubling ist nur Magen-Darm-Giftig , aber es reicht auch schon ein einziger Pilz“, erklärt mir der Experte. Ich Glückspilz!

Wobei, mit dem Fachmann an meiner Seite, brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Ein solcher Geschmackstest funktioniert aber nur bei bestimmten Pilzarten und ist daher nicht für Einsteiger geeignet. 


Geprüfter Pilzsachverständiger

Glückspilz - Hochsaison im Schwammerlwald
Über drei Jahre lang hat sich Daniel Schuster pilzkundlich fortgebildet. Am Ende stand eine Prüfung. 300 Pilze muss er als Pilzsachverständiger kennen, darunter alle Giftpilze. Das alleine reicht natürlich nicht, das Wissen erstreckt sich auf alle Bereiche der Mykologie. So erklärt er beispielsweise, dass ein Pilz keine Pflanze ist. Beim Schwammerl findet keine Photosynthese statt, daher gelten sie neben Pflanzen und Tieren als eigene Spezies.

Im Wald bilden Pilze und Bäume eine Art Lebensgemeinschaft, eine sogenannte Symbiose. Der Pilz ist sozusagen der Recyclingkönig des Waldes. Er zersetzt alles, was so herumliegt, wie Holz, Blätter und Früchte. Die daraus entstehenden Nährstoffe leitet er über sein feines Wurzelgeflecht den Bäumen zu. Die wiederum bedanken sich, und liefern Nährstoffe wie Zucker und Nährsalze.

Sein Interesse an der Mykologie hat Schuster von seinem Vater, mit dem er als Kind schon immer in die Schwammerl gegangen ist. So hat er es sich nun also zum Hobby gemacht. Für Daniel Schuster ist das ganze Jahr über Pilzzeit. Im Frühling, wenn der Bärlauch wächst, wachsen bei uns auch Morcheln, beispielsweise in Auwäldern. Im Winter gibt es Austernpilze, etwa an liegenden Buchenholzstämmen. 



Daumen hoch, wenn roter Milchsaft fließt

Glückspilz - Hochsaison im SchwammerlwaldEin paar Schritte weiter ragen orange Kappen aus dem Moos. Ich sehe, wie der Fachmann den Schwammerl aus dem Erdreich dreht. Dabei habe ich von meinem Vater gelernt, die Schwammerl immer mit einem Messer sauber über dem Boden abzuschneiden, auf keinen Fall aber herauszudrehen. Ein Mythos“, räumt Schuster gleich damit auf. „Dem Pilz ist es ziemlich egal ob er zum Ernten gedreht oder geschnitten wird. Der eigentliche Pilz steckt ja als großes Geflecht unter der Erde. Das was wir mitnehmen sind die Früchte.

Die Schwammerl sind also sowas wie die Äpfel des Waldes. Sie vermehren sich durch winzige Pilzsporen, die durch Wind, Wasser oder auch uns Sammler weiterverbreitet werden.“ Kaum angeschnitten läuft rötlicher Saft heraus. Die Hutunterseite hat Lamellen. Damit ist die Sache klar, ein Reizker. Alle größeren Pilze, bei denen roter Milchsaft austritt sind essbar. Der Reizker ist zudem äußerst schmackhaft und durch seine leichte Bestimmung hervorragend geeignet für Pilz-Einsteiger (siehe Rezept unten). Da sind wir auch schon beim wichtigsten Thema, die eindeutige Bestimmung. Der eindringliche Rat des Experten: „Auf jeden Fall nur Pilze essen, von denen man sich zu 100 Prozent sicher ist, dass sie essbar sind. Ansonsten Finger weg oder einen Pilzberater aufsuchen! Letzteres hat auch gleich noch einen Lerneffekt für künftige Waldspaziergänge. Denn fast jeder essbare Pilz hat auch einen ungenießbaren oder gar giftigen Verwechslungspartner.“ Inzwischen gibt es auch Handy-Apps zur Pilzbestimmung. Auch hierzu eine klare Botschaft: „Zur groben Einordnung oder einfach interessehalber: ja, als Entscheidungshilfe, ob essbar oder nicht. nein! Dafür sind sie einfach zu ungenau und die Fehlerhäufigkeit zu groß!“  Manche nehmen diese eindringlichen Empfehlungen immer noch auf die leichte Schulter. Daniel Schuster erlebt das immer wieder. Er hilft und berät Ärzte und Kliniken auch bei Vergiftungserscheinungen. Während der Schwammerlsaison ist das in unserer Region im Durchschnitt ein Fall je Woche.  

Knoblauchduft aus dem Wald

Glückspilz - Hochsaison im SchwammerlwaldWir gehen vorbei an Ziegenbärten, blassen Korallen – auch Bauchwehkoralle genannt, die nichts für die Pilzpfanne sind. Auch der im Anschnitt zwar wunderschön lila gefärbte, aber unzweifelhaft nach altem Ziegenbock riechende Bocksdickfuß nicht. Der Duft wird wieder angenehmer. Daniel Schuster hält mir den Stiel eines Schleierlings unter die Nase und ich erkenne einen leichten Duft nach Geranien.

Es folgen ein paar weiße Schwammerl, und da warnt der Experte sofort: „Finger weg von Pilzen mit weißen Lamellen. Darunter fällt nämlich auch der giftigste unter ihnen, der Knollenblätterpilz“.  Und einen weiteren finden wir: „Den Pilz für die böse Schwiegermutter“, scherzt Daniel Schuster, „Der wirkt erst nach 1 bis 2 Wochen, die nähere Bezeichnung lassen wir daher an dieser Stelle weg.“

Glückspilz - Hochsaison im SchwammerlwaldDie kleinen, unscheinbaren Trompetenpfifferlinge dagegen landen im Korb. „Die meisten kennen nur den herkömmlichen Pfifferling, der bei uns eher unter Reherl bekannt ist, und lassen den ebenfalls sehr schmackhaften Verwandten stehen“, erzählt Schuster. Unweit davon stehen Semmelstoppelpilze, ein weiterer schmackhafter „Einsteigerpilz“. Die Kappen sind semmelgelb und auf der Unterseite befinden sich Stoppeln. „Wer Stoppeln von Lamellen unterscheiden kann, kann hier nichts verkehrt machen“. Unterscheiden muss man bei den Hutunterseiten im Wesentlichen Lamellen, Schwamm (auch Röhren genannt) und Stoppel. „Die von früher stammende Aussage „Nimm die Pilze mit Schwamm, da kannst nichts passieren“ ist falsch. Vielleicht ist die Wahrscheinlichkeit, dabei einen giftigen zu erwischen, etwas geringer. Ausprobieren sollte man das aber auf keinen Fall“, warnt Schuster.

Unser Weg führt überwiegend durch Fichtenwald, eine kleine Anhöhe hinauf. Wir finden die beliebten Maronen, aber auch den eher unbekannten Knoblauchschwindling. „Letzterer ist nicht unbedingt für die Pilzpfanne geeignet aber getrocknet ein wunderbarer Würzpilz. Trocknen, kleinreiben und mit Salz mischen ergibt das ein wunderbares Knoblauchsalz. Und das Beste: Sie riechen nach dem Essen nicht nach Knoblauch.“, weiß Daniel Schuster und scherzt: „Damit ist der Genuss auch vor einem Meeting unbedenklich.

Unverkennbar: Der Schnitzelpilz

Glückspilz - Hochsaison im SchwammerlwaldUnsere Runde neigt sich langsam dem Ende zu. Doch bevor wir den Wald verlassen treffen wir noch einen anderen Bekannten: den Parasol. Er wird häufig auch Schnitzelpilz genannt, weil sein großer offener Schirm zum panieren einlädt. „Auch das ist ein Pilz, den Einsteiger gut sammeln können. Der dicke Ring unterhalb des Hutes lässt sich verschieben. Der Stiel ist braun genattert, hat also eine unregelmäßige Zeichnung ähnlich der von Nattern.“ Kaum haben wir den einen in den Korb gelegt, sehen wir noch weitere. Ringförmig angeordnet stehen sie da. Pilze wachsen häufig in Ringen, auch Hexenringe genannt. „Daran sieht man, wie zu Beginn erklärt, wie groß der unterirdisch verlaufende Pilz, das sogenannte Myzel, ist.“ Dass wir dem wohl beliebtesten unter den Pilzen, dem Steinpilz, nicht begegnet sind, ist uns bei der Artenvielfalt und den spannenden Erzählungen unseres Experten erst jetzt, wo wir wieder aus dem Wald hinausgehen, aufgefallen. Aber ich komme ja wieder und den Steinpilz erkenne ich auch ohne den Rat eines Experten. Dafür hat mein Vater schon in meiner Kindheit gesorgt. 

Wenn man mit offenen Augen durch den Wald läuft, sieht man: der Wald ist gerade voll mit Schwammerl.
Und wenn die alte Bauernregel stimmt, dass ein Wald voller Schwammerl ein Zeichen für einen strengen Winter ist, dann könnte es mit weißen Weihnachten ja vielleicht was werden. 



Lieblingsrezept unseres Pilzsachverständigen

Glückspilz - Hochsaison im Schwammerlwald

Leckere Reizker mit Parmesan -purer Pilzgenuß-

Reizker eignen sich aufgrund ihres eigenartigen, fast schon fleischigen Geschmacks nicht so gut für eine Mischpilzpfanne – umso leckerer sind sie dafür pur.

Die Reizker dafür vom Stiel befreien und die Hüte entweder am Stück oder halbiert in der Pfanne scharf von beiden Seiten anbraten (ca. 3 bis 5 Minuten pro Seite) bis sie schön dunkelrot werden. Zum Schluss mit einer Prise Salz und geriebenem Parmesan bestreuen – fertig ist eine sehr leckere Beilage.

Zur Info:
Die rote Milch der Reizker verfärbt den Pilz nach einiger Zeit grünlich – das ist völlig harmlos und ist kein Zeichen von Schimmel oder ähnlichem.



Wissenswertes

Wie viele Pilzarten gibt es bei uns?

In unserer Region gibt es etwa 1000 verschiedene Pilzarten. 30 bis 40 davon sind ausgesprochen gute Speisepilze ebenso viele sind sehr giftig. Der Rest ist entweder geschmacklos, ungenießbar oder mehr oder weniger giftig.

Welche Mengen sind erlaubt?

Dazu erklärt die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt: Die Bayerische Verfassung erlaubt jeder Bürgerin und jedem Bürger, Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang zu sammeln. Strikte Mengenbegrenzungen wie etwa in Österreich gibt es in Bayern nicht. Dennoch dürfen Schwammerl nicht nach dem Motto „ich nehme mit, was ich kriegen kann“ gesammelt werden. Die Bayerische Verfassung spricht von „ortsüblichen“ Umfang, das Bundesnaturschutzgesetz von „geringen“ Mengen für den persönlichen Bedarf. Dafür gilt als Faustregel, maximal 1 Kilo pro Person und Tag. Immerhin sind gerade die Wildbestände der bei uns beliebten Speisepilze wie Steinpilz, alle heimischen Arten der Pfifferlinge, der Birkenpilze und der Rotkappen nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt und dürfen nur in geringen Mengen für den eigenen Bedarf gesammelt werden. Das grundsätzliche Sammelverbot weiterer besonders geschützter Arten (z.B. Wildbestände aller heimischen Trüffelarten) und die bestehenden Betretungs- und Sammelverbote in den örtlichen Schutzgebieten sind ebenfalls zu beachten.  

Belastung von Wildpilzen

Auch 40 Jahre nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl sind einige Wildpilze immer noch radioaktiv mit Cäsium-137 belastet, so das Gesundheitsamt. Nähere Informationen dazu gibt es auf der Website des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Strahlenschutz.

Pilzexperten in Bayern

Eine Liste der geprüften Pilzberater und Pilzsachverständigen ist auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Mykologie unter www.dgfm-ev.de/service/pilzsachverstaendige zu finden.

Im Landkreis Starnberg ist Daniel Schuster aus Seefeld der einzig gelistete Sachverständige. Er bietet Korbkontrollen bzw. Pilzbestimmungen kostenlos an. Wichtig ist, immer den ganzen Pilz samt Stiel mitzubringen. Von Vorteil sind auch Angaben zum Fundort, also ob Mischwald, Fichtenwald, Wiese etc.

Wer sein Schwammerlwissen auffrischen möchte, für den bieten beispielsweise einige Volkshochschulen Pilzexkursionen an. 

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